Ganggenauigkeits-messung


Früher oder später befasst sich jeder Uhrenfreund mit dem Thema Gangverhalten und Abweichungen seiner mechanischen Uhr. Wer sich in einschlägigen Medien kundig macht wird sehr schnell auf das Thema Zeitwaage und Zeitwaage-App stoßen. Hier nun mal einige Informationen zum Thema Ganggenauigkeit (fachlich Uhrgang) von mechanischen Uhren.


Anders als Quarzuhren unterliegen mechanische Uhren immer schwankenden Abweichung im Uhrgang. Leider neigen viele Neueinsteiger im Bereich der mechanischen Uhren zu einer völlig falschen Vorstellung zum Thema Ganggenauigkeit. Eine Handy-App bringt dort eher noch Verwirrung als Aufklärung, da die App nur eine grobe Messung in einer Lage darstellt und eigentlich keinen richtigen Aussagewert hat… - Ähnlich der Aussage: mein Fahrrad fährt bergab 75Km/h also hat mein Fahrrad eine Höchstgeschwindigkeit von 75km/h (Metapher)


Als Uhrgang (Ganggenauigkeit) wird die steigende oder fallende Abweichung eines Uhrwerks im Zeitraum von 24 Stunden bezeichnet. Durch Messung dieser Abweichung mittels Zeitwaage in den sechs Normlagen kann ein Uhrmacher den mittleren täglichen Gang einer Uhr bestimmen, was jedoch immer eine Momentaufnahme ist. Eine normale Gangabweichung bei mechanischen Uhren liegt in der Regel zwischen 10 und 30 Sekunden/Tag. Dieser Wert kann bei höherwertigen Uhrwerken auf bis zu 6 Sekunden/Tag sinken. Ausgenommen davon sind sog. Chronometerwerke, welche eine höhere Ganggenauigkeit aufweisen.


Da die Abweichungen von bestimmten Faktoren (Trageweise der Uhr, Druck, Temperatur, Magnetismus, Verschmutzung, Verschleiß, Reibungswiderstand, Zahnflankenspiel im Räderwerk, Qualität und Verarbeitung der Komponenten, Einstellung des Schwingsystems, horizontale/vertikale Balance der Spirale, Wucht des Unruhreif,  Zustand der Lochsteine, Zustand der Zugfeder/Federhaus, Zustand der Räderwellen, Zustand und Grad der Schmierung… bis hin zur Balance des Zeigerspiel) abhängig ist, wird ein mechanisches Uhrwerk stets Schwankungen im Gang der Uhr (Gangfehler) zeigen.  Dabei ist zu beachten, ob die Gangfehler lageabhängig sind oder sporadisch auftreten.


Ganggenauigkeit Chronometer

Ein Uhrwerk wird als Chronometer (nicht zu verwechseln mit Chronograph) bezeichnet, wenn es eines der Chronometerprüfverfahren (z.B. die Prüfung des Schweizer Observatoriums Contrôle officiel suisse des chronomètres - COSC) bestanden hat.


Werte des COSC:

























Quelle: www.cosc.swiss/de/zertifizierung/mechanische-uhrwerke



Für die Qualitätsprüfung sind u.a. konstante Prüfbedingungen und das Prüfen in verschiedenen Lagen Voraussetzung. Mechanische Uhren, die z.B. das COSC-Prüfverfahren bestanden haben, dürfen als Chronometer bezeichnet werden. Das entscheidendste Merkmal hierbei ein möglichst konstanter mittlerer täglicher Gang mit einem geringen Gangfehler.


Die Ganggenauigkeit nach der Revision/Regulierung von mechanischen Uhren hängt dabei größtenteils von der Präzision und dem Können des Uhrmachers ab.


Eine professionelle Zeitwaage (hier die TYMC MTG9900A) misst nachfolgende Parameter in sechs Lagen.


Lagen:

Die Position der Uhr auf dem Messmikrophon. Es gibt wie bereits Erwähnt die sechs Lagen (Zifferblatt oben, Zifferblatt unten, Krone oben, Krone unten, Krone auf Position 3h und Krone auf Position 9h). Bei der MTG9900A führt das angeschlossene AUTOMIC-3 die Wechsel der Lagen automatisch durch, sodass die Messserie komplett automatisiert ist.


Amplitude - AMPLITUDE:

Bei der Amplitude  werden die Winkelgrade (der Ausschlag der Unruh) ermittelt. Diese sollten bei einem fehlerfreien Uhrwerk (bei Vollspannung der Aufzugsfeder) zwischen 260 und 290 Grad liegen.

Wird der Wert unterschritten kann ein Defekt vorliegen oder das Werk verschmutzt und eine Revision angezeigt sein. Wird der Wert nur in einzelnen Lagen stark unterschritten kann das ein Indiz für einen defekten Lochstein sein.

Ist die Amplitude zu hoch (mehr als 310 Grad) kann das sog. Prellen eintreten. Beim Prellen liegt zuviel Kraft an der Hemmung an und diese kann dadurch Schaden nehmen. Häufig brechen dabei der Hebelstein der Unruh oder die Palettensteine des Ankers.


Abweichung - RATE:

Hierbei wird die Gangabweichung innerhalb eines 24-Studen-Zyklus in der jeweiligen Lage gemessen. Der Uhrmacher wird bei der Regulierung immer einen leichten Vorgang von zwei bis drei Sekunden in den liegenden Lagen einstellen, da die Uhr nach einiger Laufzeit etwas Vorlauf verliert. Bei sehr hohen Abweichungen von wesentlich mehr als 20 Sekunden kann eine Magnetisierung der Uhr vorliegen.


Abfall (REPÈRE) - BEAT ERROR:

Der Abfall oder auch Abfallfehler misst die Asymmetrie der Halbschwingung der Unruh. Perfekt wäre eine Symmetrie  der Unruh (gleiche Halbschwingung in beide Richtungen um die Nulllage) was jedoch praktisch nicht zu erreichen ist, da die Drehschwingung nicht in allen Prüflagen ganz symmetrisch um die Nulllage herum ausgeführt wird. Die Unruh schwingt dann in eine Richtung weiter als in die Entgegengesetzte. Durch das Einstellen des Abfallfehlers wird die Asymmetrie auf 0,0 ms, bis zu 0,3 ms eingestellt, wobei der Wert 0,0ms nur in der zum Einstellen gewählten Lage zutrifft! Liegt der Abfallfehler über 0,5ms muss nachjustiert werden.


Hebewinkel - LIFT ANGLE:

Die Winkelgeschwindigkeit des Schwingssystems beim Durchlaufen des Nullpunkts ist von seiner Amplitude abhängig. Dabei wird die Zeit (Hebezeit) zwischen dem Auslösesignal und dem Fallsignal der Hemmung gemessen. Diesen Winkel, welcher von der Unruh währendessen durchlaufen wird, nennt man Hebewinkel. Der Hebewinkel kann je nach Uhrwerk differieren und muss vor der Messung eingestellt werden.

Die meisten Standard-Uhrwerke haben einen Hebewinkel von 51 Grad.


Schlagzahl oder Frequenz (bph)/(Hz) - BEAT NUMBER:

Die Schlagzahl ist die Anzahl der hörbaren Schläge eines Ankers, welche in einem Zeitraum von 60 Minuten erfolgen. Diese kann auch in Frequenz umgerechnet werden.